Investieren in der Krise (II): Buy and Hold

Buy and Hold umschreibt die Strategie des Langfristanlegers: Fonds und ETFs kaufen und im Depot liegen lassen, egal, was an den Märkten passiert. Ist das eine gute Idee?

Die russische Invasion der Ukraine hat starke Turbulenzen an den Märkten ausgelöst. Die Märkte haben seit dem 24. Februar Verluste verzeichnet, und die Unsicherheit ist groß. Hat nicht Wladimir Putin erst vor wenigen Tagen dem Westen mit Atomschlägen gedroht? Die Verluste von gut zehn Prozent beim DAX seit Beginn des Krieges spiegeln längst nicht die Nervosität der Anleger wider. Das zeigen die hohen Ausschläge von bis zu fünf Prozent bei großen Aktienindizes innerhalb einzelner Handelstage. Viele Investoren sitzen die Verluste aus. Wie erfolgversprechend ist das?

Buy and Hold: Warum Anleger dieser Strategie misstrauen

Buy and Hold gilt als Königsweg des Investierens. Einmal am Markt einsteigen, den Fonds oder den ETF liegen lassen und nach Jahrzehnten reich sein. Das klingt trivial, ist es auch, aber doch gibt es viele Hürden auf dem Weg dorthin.

Viele Anleger bezweifeln den Erfolg von Buy and Hold-Ansätzen – gerade in Krisenzeiten. Wie kann es sein, dass Buy and Hold-Strategien erfolgreich sind, wenn Portfolios über die Zeit durch tiefe Krisen schreiten? Wäre es da nicht besser, zwischenzeitlich auszusteigen und nach dem Ende einer Krise bzw. Korrektur wieder zu investieren? So valide dieses Argument in der Theorie sein mag, so sehr ist es in der Praxis fehlerhaft: Bekanntlich wird an der Börse weder zum Ausstieg noch zum Einstieg geklingelt.

Anleger unterschätzen die große Bedeutung der kontinuierlichen Präsenz an den Märkten. Die besten Renditen kommen erfahrungsgemäß gerade in volatilen Marktphasen zustande. Dazu eine kleine Geschichtsstunde:

Keiner weiß, wann und warum Märkte ihren Tiefpunkt erreichen

Besonders hoch waren die Verluste beim deutschen Leitindex DAX in den letzten Monaten der Dot-Com-Krise von 2000 bis 2003. Im Dezember 2002 verlor der deutsche Leitindex knapp 13 Prozent. Im Januar 2003 büßte er gut fünf Prozent ein, im Februar lag das Minus bei 7,3 Prozent und im März bei minus 4,8 Prozent. Die Wende kam abrupt. Im April 2003 schnellte der Dax sage und schreibe um 21,4 Prozent in die Höhe. Der Anstieg sollte bis August dauern. Das hatten nur wenige kommen sehen, auch die Profis nicht. So lagen die Kosten der Allianz-Versicherung für die Absicherungen ihrer Aktienpositionen im zweiten Quartal 2003 bei zehn Milliarden Euro.

Ähnlich vollzog sich die Entwicklung am Ende der großen Finanzkrise 2007 bis 2009. Im Januar und Februar 2009 waren die Verluste beim DAX mit 9,2 Prozent bzw. 11,4 Prozent sehr hoch. Anleger waren damals im Krisenmodus. Doch die Erholung kam scheinbar aus dem Nichts: Plus 6,3 Prozent schnellte der DAX im März 2009 nach oben, im April lag das Plus sogar bei knapp 17 Prozent. Kaum jemand hatte diese rapide Erholung kommen sehen. Die meisten Investoren waren noch dabei, ihre Wunden zu lecken und konnten die Abwendung des Untergangs des Finanzsystems noch nicht richtig fassen.

Noch präsenter dürfte Anlegern die Entwicklung der Corona-Krise sein. Im Februar 2020 brach der DAX um 8,4 Prozent ein, im März um 16,4 Prozent. Damals war das öffentliche Leben zum Stillstand gekommen, und die Märkte waren in einer Rekordgeschwindigkeit regelrecht implodiert. Doch schon im letzten März-Drittel hob der Markt zu einer fulminanten Erholung an, nachdem klar geworden war, dass die Regierungen und Notenbanken die Wirtschaft massiv stützen würden. Im April 2020 stieg der DAX um 9,3 Prozent und im Mai und Juni jeweils um rund 6,5 Prozent. So schnell hatten nur die wenigsten Anleger die Wende erwartet.

Buy and Hold-Strategien fangen die wichtigste Performance-Tage ein

Um die optimale Rendite zu sichern, geht es übrigens nicht um Wochen oder Monate, sondern um Tage. Wie wichtig einzelne Zeitabschnitte für die Gesamtrendite sind, zeigt eine Beispielrechnung zur Entwicklung des DAX in den vergangenen zehn Jahren. Kumuliert legte der Index per Ende Februar 2022 um knapp 111 Prozent zu. Rechnet man die besten fünf Handelstage heraus, sinkt die Performance zwischen 2012 und 2022 auf knapp 26 Prozent. Das zeigt, dass Anleger keine Zeit zu verschenken haben – dafür ist das Geld zu knapp!

Die Praxis stützt diese Rechenbeispiele. Fondsmanager, die versuchen, das Risiko taktisch zu reduzieren, fahren damit en gros nicht gut. Flexible Mischfonds erzielten in der Vergangenheit schlechtere risikoadjustierte Renditen als Mischfonds, die eine strategische Asset Allocation verfolgen und nicht versuchen, durch Trading die Rendite zu optimieren. Auch Fondsmanager sind nur Menschen – auch sie können nicht die Entwicklung der Märkte antizipieren. Nicht umsonst ist das Sprichwort „Hin und Her macht Tasche leer“ Legende!

Unsere Serie zum Thema „Investieren in der Krise“ in der Übersicht

Intro: Investieren in Krisenzeiten

Teil I: Schritt für Schritt in den Aktienmarkt

Teil II: Buy and Hold

Teil III: Buy the Dip

Teil IV: In Szenarien denken

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Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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