Crash-Gurus: Das Geschäft mit dem Weltuntergang

Wir kennen sie, die Crash-Gurus, die lautstarken Verkünder des Weltuntergangs. Dirk Müller, Max Otte, Markus Krall, Marc Friedrich und einige mehr. Fondsmanager und Publizisten aus der Finanzbranche machen mit steilen Thesen von sich reden. Die vermeintlichen Welterklärer verbreiten Untergangs-Prophezeiungen, um ihre Agenda, ihr Geschäftsmodell zu pushen. Wir machen auf die Masche der Marktschreier aufmerksam, wie man sie erkennt, warum ihre Prognosen plausibel klingen, aber im Kern hanebüchen sind. Eine Check-Liste.

Fakten als Ausgangspunkt für wilde Thesen

Die Thesen der Crash-Gurus basieren oft auf unbestreitbaren Fakten. Aus diesen Fakten leiten sie dann allerdings abstruse Thesen ab. So werden Kondensstreifen flugs zu Chemtrails umgedichtet. Bezogen auf die Finanzbranche greifen die Verschwörungs-Gurus oft die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auf. Am Anfang der Erzählung steht die Tatsache, dass die EZB den Zins auf null gesenkt hat. Ab jetzt können die Crash-Propheten ihr Oma-Blatt ausspielen. So sei das Ziel des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi, „den deutschen Sparer“ zu enteignen und dafür die „Euro-Schuldenländer“ zu füttern. Das mündet im unvermeidlichen Eurozonen-Crash ein, für den natürlich die „kleinen Leute“ in Deutschland die Zeche zahlen werden. Das ist natürlich Unfug. Wir Deutsche taugen nicht als Opfer der EZB, auch wenn negative Zinsen für Sparer unangenehm sind. (Die Realzinsen waren übrigen schon häufiger in der Vergangenheit, zu Bundesbankzeiten, negativ). Auf der Habenseite steht, dass wir Immobilien heute sehr günstig (re-) finanzieren können. Deutschland profitiert auch enorm von der Eurozone. Sei es in Gestalt von Verhandlungsmacht bei internationalen Abkommen. Oder, konkreter, vom Export in die EU-Partnerländer. Auch profitieren wir übrigens vom unterbewerteten Euro, der dafür sorgt, dass es die Beschäftigungslage in Deutschland hervorragend ist. Und was ist, wenn der Italiener Mario Draghi von Christine Lagarde abgelöst wird? Na klar, Lagarde ist ja „noch radikaler als Draghi“!

Die Punktlandung des mexikanischen Scharfschützen

Crash-Gurus geben bei ihren „Prognosen“ Punktlandungen“ vor – die fast nie eintreten und die sie daher immer wieder „neu auflegen“. Das Ende der Eurozone kommt 2011, ganz sicher! Und was, wenn nicht? Dann im Jahr 2012, ganz sicher! Die Eurozone gibt es noch im Jahr 2021? Wartet ab bis zum Jahr 2023! Und so weiter und so fort. Die Masche ist uralt: Doomsday-Propheten geben vor, „es ganz genau zu wissen“. Sie prognostizieren Punktlandungen in Sachen Weltuntergang. Sie können dabei auf zweierlei bauen: unsere Neigung, schlechten Nachrichten eher als guten Glauben zu schenken. Und auf unsere kurze Aufmerksamkeitsspanne. Nur so lässt sich erklären, warum es noch immer Leute gibt, die ehemaligen Börsenhändlern oder Goldverkäufern nicht nur beim Schwurbeln zuhören, sondern, schlimmer noch, ihnen Fonds und Edelmetalle abkaufen. Die Masche der Panikmacher wurde bereits mit einem mexikanischen Scharfschützen verglichen, der wie wild um sich ballert und hinterher die Zielscheibe um die Einschusslöcher malt. Oder mit einer stehen geblieben analogen Uhr, die zwangsläufig zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigt. Die Katastrophen-Prognosen sind so zahlreich, dass irgendwann zwangsläufig eine Krise eintrifft, die die Gurus als Beleg für ihre Behauptungen bezeichnen. Aber Börsenkrisen gehören zum Marktgeschehen dazu, und der DAX ist noch nie untergegangen. Und wenn gar nichts mehr hilft, wird auf eine Verschwörung dunkler Mächte verwiesen, die den unvermeidlichen Untergang der Eurozone durch Manipulation verhindert hat. Gemein!

Crash-Gurus sind Handelsreisende in eigener Sache

Hinter den Prophezeiungen der Crash-Gurus stehen handfeste Gewinnabsichten. Doomsday-Warner sind unterwegs in eigener Mission. Doch während ihre Bücher und Fonds für sie ein gutes Geschäft sind, fahren ihre Kunden mitunter deutlich schlechter. Auch hier lässt sich eine gängige Masche an der Kritik an der EZB-Geldpolitik festmachen. Die Argumentationskette: „Die Geldpolitik verzerrt die Märkte, sie führt in die Schuldenkrise und ultimativ zur Mega-Inflation, weshalb nur Sachwerte helfen“. Nicht rein zufällig haben viele Crash-Propheten auch den „passenden“ Fonds zur Hand. Der Dirk Müller Premium Aktien treibt die Crash-Prophetie auf die Spitze: Der Fonds hat offiziell ein Investment in Qualitätsaktien zum Ziel. Müller hat allerdings den Fonds in den vergangenen Jahren über weite Strecken in Erwartung des Welt-Crashs abgesichert. Mit der Folge, dass Anleger in dem Fonds so gut wie überhaupt nicht an der fantastischen Aktienmarktentwicklung partizipiert haben. In Anlehnung an die Frage nach dem „Cui bono“ (wessen Nutzen), den Verschwörungsideologen gerne stellen, können Anleger Scharlatane mit ihren eigenen Waffen schlagen: Wer profitiert von der Verbreitung von Unsicherheit? Genau!

Doomsday-Verkünder werden in Fachkreisen nicht ernst genommen

In Fachkreisen vertreten Doomsday-Herbeireder Meinungen, die in Fachkreisen nicht ernst genommen werden. Seriöse Wissenschaftler können für komplexe volkswirtschaftliche Probleme selten einfache Lösungen präsentieren. Eben, weil sie komplex sind. Das kann den Crash-Gurus, die oftmals eloquent auftreten, zum Vorteil gereichen. Ihre Erklärungen sind einfach zu verstehen, und mit dem Charme des Underdogs können sie den mitunter betulich wirkenden echten Experten gelegentlich argumentativ das Wasser reichen. Das macht ihre Argumente freilich nicht seriöser. Auch in der Asset Management Industrie haben Crash-Gurus selten einen guten Leumund. Die meisten Vermögensverwalter nehmen ihren Auftrag, die bestmögliche Rendite für Anleger zu erzielen, ernst, weshalb sie dem Prinzip der Diversifikation verpflichtet sind. Auch wenn Vermögensverwalter mitunter laut trommeln und mutige Positionen vertreten, so werden gute Fondsmanager immer ihre Risiken streuen und nicht nach dem Top- oder Flop-Prinzip vorgehen.

Infotainment-Formate und Social Media bieten den Gurus Raum für Entfaltung

Viele Crash-Herbeiredner haben Unterhalter-Qualitäten. Immer wieder schaffen sie es in die seriösen Medien. Viele sind geschult im Umgang mit Medien, sie wissen, wie man eine knackige These „unterbringt“. Leider fallen viele Medien auf die Crash-Gurus zumindest eine Zeitlang herein auf der Suche nach dem schnellen Klick- oder Einschalt-Erfolg. Damit powern sie deren fragwürdige Geschäftsmodelle. Nicht jede Talk-Runde im Fernsehen, leider auch nicht in den öffentlich-rechtlichen Sendern, hat den Anspruch, zu informieren. Anleger sollten solche Infotainment-Angebote daher mit der gebotenen Vorsicht behandeln. Freie Fahrt haben die Weltverschwurbler in den sozialen Medien, wo sie sich über ihre eigenen Kanäle direkt an ihre Follower wenden können. Hier ist die Ansprache direkter als in den klassischen Medien, wo sie den Schein der Seriosität wahren müssen. Insofern sind sie auf Twitter, Facebook, YouTube oder auf eigenen TV-Kanälen einfacher als Fake zu entlarven; hier lassen die Crash-Gurus die Maske des Biedermeiers fallen. In diesem Umfeld geht es darum, die Verschwörungsgläubigen abzuholen. Man ist hier unter sich, und außerdem konkurrieren Crash-Gurus auf den sozialen Medien mit anderen Marktschreiern. Wer am lautesten schreit, kann sich der größten Aufmerksamkeit sicher sein. Das mag auf Menschen mit klarem Blick gruselig erscheinen, ist aber effektiv beim Community Building.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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