Es gehört inzwischen zum Mantra von Fondsmanagern, vor den Risiken bei MSCI World ETFs zu warnen. US-Aktien dominieren, und der „Königsindex“ ist längst nicht mehr diversifiziert. Doch wie aktiv sind aktive Manager wirklich? Wie gehen global investierende Fonds bei US-Aktien vor? Eine Datenanalyse.
Der MSCI World Index hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr zum Ärgernis für Fondsmanager entwickelt, die in globale Aktien investieren. Früher war er nur eine Messlatte, doch mit dem Aufstieg von ETFs ist der Index immer mehr zum Konkurrenten für die Fondsmanager geworden. Das liegt daran, dass aktiv verwaltete Fonds mit globalem Anlageschwerpunkt seit der Finanzkrise 2009 (sic!) überwiegend einen schlechten Job gemacht haben. Dafür gibt es viele Gründe, etwa die hohen Kosten.
Nun mag man einwenden, dass aktive Strategien einen ganz anderen Apparat erfordern als ETFs und daher zwingend höhere Kosten verlangen müssen. Aber einen Vorteil haben aktiv verwaltete Fonds: Sie sind, nun ja, zumindest vom Anspruch her, aktiv. Jetzt, wo der Trump-Trade bröselt, also die Outperformance von US-Aktien gerade schwindet, stellt sich die Frage, wie sich aktiv verwaltete, global anlegende Aktienfonds in Stellung bringen. Zunächst eine kleine Einordnung.
Der MSCI World - von der Benchmark zur ETF-Strategie
Beim MSCI World Index geraten Anleger ins Schwärmen: Er investiert in 23 entwickelte Märkte und streut sehr breit auf über 1.500 Aktien, sodass unternehmensspezifische Risiken kaum ins Gewicht fallen. Der Index ist nach Börsenwert der Unternehmen gewichtet. Der MSCI World weist seit jeher ein hohes Gewicht an US-Aktien auf. 2009 waren es knapp 50 Prozent. Der Aufstieg der Plattform-Ökonomie und die wirtschaftliche Dominanz der US-Wirtschaft nach der Weltfinanzkrise haben US-Aktien seitdem einen Riesenlauf beschert, europäische und japanische Aktien blieben weit hinten.
Heute, im Februar 2025, besteht der MSCI World zu rund 70 Prozent aus US-Aktien. Damit ist der MSCI World nur noch eingeschränkt diversifiziert, zumal US-Tech-Giganten wie Apple, Microsoft, Nvidia, Meta, Alphabet und andere gut ein Viertel des Index ausmachen. Weil keiner weiß, wie die Aktienmärkte ab morgen laufen, gehen Anleger ein Risiko mit ETFs auf dem MSCI World ein. Davor warnen wir in diesem Blog und in Medien-Inverviews seit etlichen Monaten.
Doch vor dem MSCI World zu warnen, ist das eine, das andere ist, welche Alternativen aktiv verwaltete Fonds bieten. Die Manager aktiv verwalteter Fonds heben gerne hervor, dass sie die Freiheit haben, sich vollkommen anders zu positionieren als der Markt, aus dem sie Aktien für ihre Fonds aussuchen. Das ist naheliegend, weil sie ihre hohen Gebühren rechtfertigen müssen. Das bedeutet allerdings, dass ihre Kritik am MSCI World aus einer anderen Warte als die von Analysten kommt – sie sind die Leidtragenden des Hypes um MSCI World ETFs. Aktive Fonds haben gegenüber Indexfonds einen handfesten Nachteil: Sie kosten viel mehr und belasten damit die Anlegerrendite. ETFs für globale Aktien, egal, ob sie bekannte Indizes wie den MSCI World oder FTSE All World abbilden oder eher exotischere (nicht: schlechtere) Indizes von Morningstar oder Solactive abbilden, kosten mitunter deutlich weniger als 0,2 Prozent, verglichen mit zumeist mehr als 1,5 Prozent, die aktiv verwaltete Fonds pro Jahr Anlegern in Rechnung stellen. Was machen Fondsmanager also aus ihrer scheinbar grenzenlosen Freiheit?
Datenanalyse: US-Aktien in Fonds 2009 - 2025
Wir haben unsere Rechenmaschine angeworfen und haben mit einer Datenanalyse die Aktivität von global anlegenden Fonds seit 2009 skizziert mit Blick auf die Gewichtung von US-Aktien und Aktien aus der Eurozone. Analysiert haben wir die aktiv verwalteten Fonds in der Morningstar-Kategorie „Aktien Welt Standardwerte Blend“. Eine kleine Modifikation haben wir vorgenommen. Wir haben nicht den MSCI World als Benchmark verwendet, sondern den MSCI ACWI, der auch in Schwellenländern vertreten ist. Aktiv verwaltete Welt-Fonds mischen typischerweise auch Schwellenländer-Aktien bei.
Aktuell sind Welt-Fonds zu gut sechs Prozent in Emerging Markets-Aktien investiert, und das entspricht ziemlich genau deren Gewichtung im MSCI ACWI. Für unsere Untersuchung haben wir auch die seit 2009 liquidierten Fonds berücksichtigt. Wie haben aktiv verwaltete Fonds der Morningstar-Kategorie auf die Outperformance des US-Aktienmarkts reagiert mit Blick auf die Gewichtung von US-Aktien und Euroland-Aktien? Haben sich die aktiven Manager gegen die Dominanz von US-Aktien im Welt-Aktienindex gestemmt?

Gewichtung US-Aktien in Prozent des Fondsvermögens bzw. des Indexgewichts. Daten per 31.1.2025, Quelle: Morningstar
Die obere Grafik vergleicht die Gewichtung von US-Aktien in Welt-Fonds mit deren Gewichtung im MSCI ACWI. Im Februar 2009 bestand der Index zu 44 Prozent aus US-Aktien, der durchschnittliche Welt-Aktienfonds hatte US-Aktien mit 31,9 Prozent gewichtet. Das ist ein Unterschied von gut 12,5 Punkten. Dieses Untergewicht reduzierte sich in den nächsten Jahren nur leicht. Im Oktober 2011, auf dem Höhepunkt der Eurokrise, lag der Anteil von US-Aktien in Weltfonds bei 33,6 Prozent, verglichen mit 44 Prozent im Index. Da die Euro-Krise bereits seit 2010 wütete, hätte ein beherztes Zugreifen bei US-Aktien den Fonds mutmaßlich gut getan. Immerhin sank die Differenz zum Index auf knapp 10,5 Prozentpunkte.
Aktive Fondsmanager üben sich als Trittbrettfahrer
Doch dann vollzog sich etwas Überraschendes: Die stetige Erhöhung des Anteils von US-Aktien im Index im Zuge der wachsenden US-Outperformance wurde begleitet von einer stetigen Erhöhung des Anteils von US-Aktien in aktiv verwalteten Fonds. Der Anteil an US-Aktien im MSCI ACWI überstieg erstmals im September 2014 die 50-Prozent-Marke. Parallel dazu erhöhte sich der Anteil an US-Aktien in Fonds auf durchschnittlich knapp 40 Prozent. Aktive Manager verkleinerten also den Abstand zum Index, ohne sich aber eindeutig zu positionieren – weder in die eine noch in die andere Richtung.
Fast Forward zur Post-Corona-Rally: Welt-Fonds erhöhten sukzessive den Anteil an US-Aktien und die Lücke zum MSCI ACWI verkleinerte sich immer mehr. Sie sank im Juli 2021 auf den Tiefpunkt. Der US-Anteil im Index lag bei 59 Prozent, bei Fonds betrug er 53,8 Prozent. Nach einer Untergewichtung von US-Aktien von 12,5 Prozentpunkten zu Beginn der Auswertung 2009 sank die Untergewichtung auf nur noch 5,3 Punkte im Juli 2021. Mit anderen Worten: Aktive Fondsmanager, die längst die USA-Lastigkeit im MSCI World und MSCI ACWI bemängelten, zogen mit der laufenden Outperformance von US-Aktien immer mehr nach und erhöhten aktiv die USA-Quote in ihren Fonds. Wir erinnern uns, dass 2022 gerade US-Growth-Aktien, Stichwort Magnificent 7, von den steigenden Zinsen kräftig getroffen wurden.
„Im Zuge der stetien US-Outperformance haben aktive Welt-Fonds ihren USA-Anteil überproportional hochgefahren“
Bis Ende 2024 stieg die Quote von US-Aktien in Welt-Fonds auf knapp 60 Prozent, verglichen mit 66 Prozent beim MSCI ACWI. Beim MSCI World liegt die Quote aktuell bei über 73 Prozent. Diese geringe Differenz spricht eine ganz andere Sprache, als man angesichts der Kritik der Fondsmanager an MSCI World ETFs erwarten sollte.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass es sich hier um Durchschnittswerte handelt. Manche Fonds haben den Anteil an US-Aktien auf deutlich unter 50 Prozent begrenzt, etwa der E.ON Aktienfonds DWS, dessen US-Aktienquote bei etwas über 30 Prozent liegt. Noch stärker hat der Ellwanger.Geiger Aktien auf die Bremse getreten, der eine Quote von unter 30 Prozent aufweist. Beim DKO Aktien Global (DF) liegt die USA-Quote bei 28,5 Prozent. Das Problem an der Sache: Die Bilanz dieser Fonds ist bestenfalls durchschnittlich: Der DWS-Fonds kommt auf ein Drei-Sterne-Rating von Morningstar, die beiden anderen Fonds kommen auf zwei bzw. einen Morningstar-Stern und sind damit unterdurchschnittlich bzw. schwach.
Eurozonen-Aktien - die spiegelbildliche Story
Blicken wir jetzt auf die Entwicklung des Anteils von Eurozonen-Aktien. Die untere Grafik zeigt deren Gewichtung im durchschnittlichen Welt-Fonds und im Index zwischen Februar 2009 und Januar 2025. Im Februar 2009 bestand der Index zu 13 Prozent aus Eurozonen-Aktien, der durchschnittliche Welt-Aktienfonds zu 18,6 Prozent. Das ist ein Unterschied von gut 5,5 Punkten. Dieses Übergewicht blieb in den nächsten Jahren weitgehend unverändert. Im Oktober 2011, auf dem Höhepunkt der Eurokrise, lag der Anteil von Eurozonen-Aktien in Weltfonds bei 16,2 Prozent, verglichen mit 10,8 Prozent im Index. Da die Euro-Krise Euro-Aktien massiv unter Druck setzte, hätte eine stärkere Reduzierung den Fonds mutmaßlich gutgetan.
In den nachfolgenden Jahren ging der Anteil an Eurozonen-Aktien in Fonds und im Index gleichermaßen zurück. Im Juni 2016 sank die Eurozonen-Quote im Index erstmals auf unter zehn Prozent, derweil ihr Anteil in Fonds auf 15,4 Prozent zurückging. Aktuell machen Aktien aus der Eurozone nur noch etwas über sieben Prozent im MSCI ACWI aus. Welt-Fonds profitieren nur wenig von der derzeitigen Outperformance von Eurozonen-Aktien gegenüber US-Aktien, da diese nur noch zu 12 Prozent in der Euro-Zone vertreten sind. Insgesamt blieb mit Blick auf die Euro-Aktien-Quote der Abstand zwischen Fonds und Index recht konstant bei zwischen fünf und sechs Prozentpunkten.

Gewichtung Euroland-Aktien in Prozent des Fondsvermögens bzw. des Indexgewichts. Daten per 31.1.2025, Quelle: Morningstar
Indexschmuserei: Ein Problem für die Fondsindustrie
Unsere Analyse zeigt ein klares Muster: Der Anteil von US-Aktien in Weltfonds ist zwischen 2009 und 2025 kontinuierlich gestiegen – parallel zur Entwicklung im MSCI ACWI, ja, der Abstand hat sich sogar stetig verkleinert. Fonds sind also immer stärker auf den fahrenden Zug aufgesprungen und haben ihre Wette auf US-Aktien nach und nach vergrößert. Man kann also zwar schon von einer aktiven Entscheidung sprechen, allerdings nur insofern, als sich Fondsmanager entschlossen haben, immer stärker mit dem Index zu schmusen. Im Englischen lautet der Fachbegriff „Closet Indexing“. Das bedeutet so viel wie heimliche Indexierung. Anleger bezahlen also Gebühren für aktives Management, bekommen aber allzu oft eine schlechtere Leistung als die Indexrendite.
Das wirft ein Schlaglicht auf die Branche der aktiv verwalteten Fonds. Im Schnitt klebt sie an den Vergleichsindizes, die sie vorgibt, übertreffen zu wollen. Doch wer sich immer weniger von seiner Benchmark abhebt, wird Schwierigkeiten haben, sich von dieser in positiver Hinsicht abzuheben. Der Gebührennachteil wiegt schwer, wenn man unterstellt, dass der durchschnittliche Fonds 1,5 Prozent kostet, während ein ETF auf den MSCI World oder MSCI ACWI schon für 0,2 oder sogar nur 0,1 Prozent pro Jahr zu haben ist.
Wie hoch sind die Kosten dieses Anlageproblems für Anleger? Welt-Fonds underperformten den MSCI ACWI in den vergangenen zehn Jahren um gut 2,5 Prozentpunkte pro Jahr. Diese Underperformance ist größer, als es die Kosten nahelegen. Es ist eben nicht so, dass aktiv verwaltete Fonds eine Index-Performance abzüglich Kosten erwirtschaften. Es sind vielmehr auch die Folgen der nachziehenden prozyklischen Strategien, die Fonds anwenden. Anders formuliert: Viele Fondsmanager haben ihre Fahne nach dem Wind gehisst. Mit der zunehmenden Outperformance des US-Markts wurde die USA-Quote erhöht. Das ist angesichts der lautstarken Kritik an den Mängeln des MSCI World und MSCI ACWI erstaunlich.
Nachdem wir die strukturellen Mängel vieler aktiv verwalteter Fonds – erneut – identifiziert haben, wollen wir in der nächsten Woche alternative Anlageideen aufgreifen. Sie bieten Lösungen, haben jedoch auch mit eigenen Herausforderungen zu kämpfen.
Doch dazu mehr am kommenden Freitag, dem 7.3.2025.
Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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